Schwarze Bretter
21.02.2002 by Amund
Wie organisiert man eine Kleinstadt von über 35.000 Lernwütigen? Ganz klar, Baumarkt – Bretter besorgen, pro Wütigen 10 cm² berechnen. Dann die Dinger an die Wände der Uni schrauben. Der Rest ergibt sich von selbst. Heute wird zwar nicht mehr Martin Luter vorbeikommen und seine Thesen mit handgeschmiedeten Nägeln ranknallen. Nein, heute kommt ein wilder Querschnitt der Lernwütigen und dessen Wissen- und Bildungsquellen und bekleistern, beheften, bekleben und bepinnen die Bretter tonnenweise mit Papier. Schon das kann ein großes Geschick erfordern. Wenige Quadratzentimeter Ansatzfläche sind noch vorhanden, wie also das A3-Plakat noch attraktiv an das Brett basteln? Japanische Faltkunst müsste in Seminaren angeboten werden. Bretter könnten so dreidimensional genutzt werden.
Noch schwieriger wird es für den gehetzten Bretterleser. Statt Brett vor dem Kopf will er oder sie oder auch beide die Information fein sortiert und zugeordnet im Kopf haben. Das erinnert aber bei der Fülle der Bretter und der Fülle der Pro-Brett-Informationen an ein Spiel mit Zufälligkeiten. Student ärgere dich.
Richtig spannend wird es dann, wenn die von einer Unterunterdrauforganisation adoptierten Bretter von anderen fälschlich benutzt werden. Die Bretter erleben dann Revierkämpfe wie ehemals im Wald, wenn die Hirsche röhren. Plakatverdrängung pur.
Im Chaos der Bretter gibt es wenige Orientierungshilfen. Nur eine Faustregel: Streng organisierte und übersichtliche Bretter sind meist nur für eine verschwindend geringe Minderheit von Interesse. Wilde und informationsflutige Bretter sind für viele von hohem Interesse. Fragt sich nur, ob die Studierwütigenden das Studium der Bretter in ihren Stundenplan eingebaut haben. Ansonsten hilft nur ein flüchtiger Blick, auf den glückchen Moment der bedarfsdeckenden Rezeption hoffend und weitergehen.
Was sich seit dem Mittelalter geändert hat, ist nur eins. Die Bretter sind aus anderem Material und selten schwarz. Kork und solch Zeug. Das es da evtl. Alternativen gibt, hat sich noch nicht hingesetzt und durchgeschraubt. Wozu auch? Nichts ist fortschrittlicher als eine methodisch konservative Uni. Ein nächstes Projekt soll sein, 5.000 Bäume rings um die Uni zu pflanzen und sie zum Einritzen von Botschaften freizugeben. Der Vorteil: Kostenloser Zoom mit Langzeitgarantie. Streit gibt es nur bei der Zuteilung der Bäume. Zwecks gießen, Lebenserhaltung und so.
Februar 2002